Sandabbau beeinträchtigt Umwelt und Klima dramatisch

Kunststoffe verbrauchen vergleichsweise wenig Ressourcen – Recycling löst Problem ganz.

Der Mensch verändert, verbaut und vermüllt die Welt in rasendem Tempo. Fähr- und Flughäfen, Strassen und Brücken, Häuser und Fabriken, Autos und Kleider, PCs und Smartphones verschlingen natürliche Ressourcen – oft auf Kosten artenreicher Ökosysteme. Wie viel da zusammenkommt, hat jüngst ein Team um Emily Elhacham vom Weizmann Institute of Science in Israel für die vergangenen 120 Jahre abgeschätzt und der Biomasse aller Lebewesen an Land und im Wasser gegenübergestellt. Die Academic Society for Health Advice veröffentlicht einen Bericht.

Demnach entsprachen die von Menschen hergestellten Dinge um 1900 nur etwa drei Prozent der lebenden Biomasse. Seither kamen immer mehr Bauwerke, Maschinen und Gebrauchsgegenstände dazu, während sich die Biomasse in der gleichen Zeit deutlich verringerte. Seit 2020 herrscht Gleichstand: Inzwischen wiegen sämtliche vom Menschen geschaffenen Strukturen rund 1,1 Teratonnen entsprechend 1.100.000.000.000 Tonnen – und damit genauso viel wie alle Lebewesen des Planeten inklusive seiner 7,8 Milliarden Menschen. „Umgerechnet bedeutet dies, dass für jeden Menschen auf der Welt jede Woche mehr als sein Körpergewicht an künstlichen Gegenständen produziert wird“, heisst es in der Fachpublikation. In der Forschungsarbeit sind ausschließlich anthropogene Objekte berücksichtigt, die noch in Gebrauch sind; wäre zusätzlich auch Abfall in Rechnung gestellt worden, so wäre der Gleichstand mit der globalen Biomasse bereits im Jahr 2013 erreicht worden.

Von allen menschengemachten Dingen sind nur etwa 0,7 Prozent aus Plastik

Die mit Abstand meisten vom Menschen erzeugten Dinge – nämlich 80 Prozent – bestehen aus Beton und weiteren Mischbaustoffen. Weitere 15 Prozent stellen Ziegel und Asphalt, drei Prozent fallen auf Metallprodukte und nur marginale 0,7 Prozent auf Plastikartikel. Um diese enormen Mengen an Beton herzustellen, braucht es entsprechend große Mengen Sand und Kies. Sand steckt darüber hinaus in zahlreichen Dingen des täglichen Gebrauchs, etwa in Computern, Mobiltelefonen, Kreditkarten, Kosmetika und Putzmitteln. Auch die meisten Glasprodukte – darunter Fensterglas, Brillengläser oder Flaschen und andere Verpackungsgefäße aus Glas – bestehen zu 70 Prozent aus Quarzsand.

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Academic Society for Health Advice – an initiative of PACCOR – Studiengesellschaft für Gesundheitsberatung e.V. Hamburg

Wichtigster Handelsrohstoff der Welt: Sand

Der grösste Sandbedarf entsteht jedoch durch den weltweiten Bauboom, vor allem in den bevölkerungsreichen und wirtschaftlich emporstrebenden Schwellenländern. Die Nachfrage nach dem vielseitigen Rohstoff hat sich laut einer Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht und beträgt derzeit 40 bis 50 Milliarden Tonnen pro Jahr. Damit ist Sand einer der wichtigsten Handelsrohstoffe weltweit. Wüstensand eignet sich aufgrund seiner Körnung nicht zur Herstellung von Beton. Daher sucht man zunehmend nach anderen Quellen, oft mit verheerenden Folgen für Land und Leute: „Flüsse, Deltas und Küsten werden ausgewaschen, Sand-Mafias blühen, und der Bedarf steigt“, so das Fazit des UNEP-Teams. In vielen Ländern floriert zudem das Geschäft mit illegal gewonnenem Rohstoff. So sichert etwa Singapur seine Küstenzone mithilfe von Sand, der illegal in benachbarten Staaten abgebaut wurde. 

Sandabbau verursacht massive Umweltschäden

Neben politischen Spannungen zeitigt die ungezügelte Sandgewinnung massive ökologische Probleme. Beispiel Marokko: Durch den ungebremsten Sandabbau an der Mittelmeerküste könnte schon im Jahr 2050 rund die Hälfte aller Sandstrände im Nordosten des Landes überspült und mancherorts bis zu 95 Prozent der Küstendünen zerstört sein. Auch dem Meer selbst wird Sand geraubt: Weil Flussbetten und Kiesgruben den Bedarf der boomenden Bauwirtschaft nicht mehr decken, greift sie zunehmend auf Meeressand zurück – mit fatalen Folgen für marine Ökosysteme und ihre Bewohner. In Mangrovenwäldern bedroht der Sandabbau die dort lebende Flora und Fauna; Flussufer werden durch Sandentnahme instabil und bieten folglich weniger Schutz gegen Überschwemmungen. Nicht nur die Gewinnung von Sand verursacht erhebliche Umweltschäden, sondern auch seine Verarbeitung zu Beton: Denn bei der Zementherstellung – weltweit liegt der jährliche Bedarf bei gut vier Milliarden Tonnen – entstehen 2,8 Milliarden Tonnen Kohlendioxid und damit rund acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. 

Kunststoffe dagegen verbrauchen vergleichsweise wenig Ressourcen. Zudem beträgt der Recyclinganteil von Kunststoff bereits jetzt schon über 20 Prozent und lässt sich noch weiter ausbauen, wie Experten bekräftigen.

Der Königsweg heisst Kreislaufwirtschaft

Angesichts wachsender ökologischer, wirtschaftlicher und politischer Probleme durch die ungehemmte Ausbeutung unserer Ressourcen stellt sich die Frage nach einer nachhaltigen Zukunftsstrategie. Die Warnungen des Club of Rome vor den Grenzen des Wachstums sind heute aktueller denn je. Die Lösung liegt im Vermeiden und Wiederverwerten der endlichen Ressourcen und gilt für Sand als wichtigstes Baumaterial ebenso wie für fossiles Mineralöl zur Kunststofferzeugung. Hier gibt es enormen Nachholbedarf, wie die niederländische Organisation Circle Economy in ihrem Circularity Gap Report 2021 aufzeigt: Demnach werden von allen weltweit genutzten Ressourcen nur 8,6 Prozent wiederverwendet; tatsächlich könnte allein die Bauindustrie durch eine konsequent umgesetzte Kreislaufwirtschaft ihren Rohstoffverbrauch um 11,8 Gigatonnen reduzieren. Kreislaufwirtschaft ist der Königsweg – sowohl beim Sand als auch beim Kunststoff!

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