Hochschule Luzern zeigt Spannungsfeld im Landschaftsschutz
Wie kann die Qualität einer Landschaft ausserhalb der Bauzone sichergestellt werden? Die Hochschule Luzern hat am Beispiel der Grossteiler Ebene in Giswil OW einen Prozess und Handlungsempfehlungen entwickelt, die einen Weg im Spannungsfeld zwischen Landschaftsschutz und -entwicklung aufzeigen.
Die ländlich geprägten Landschaften bestimmen nicht nur im Ausland das Bild der Schweiz. Auch für das schweizerische Selbstverständnis spielen dörfliche Siedlungen, die Berge und die gut gepflegten Kulturlandschaften eine wichtige Rolle. Einen grossen Anteil daran haben die Gebiete ausserhalb der Bauzonen. Diese stehen schon seit längerem im Fokus zahlreicher Debatten, was unterschiedliche politische Vorstösse zum Stopp der Zersiedlung und dem Schutz von Natur und Landschaft belegen. Ausserhalb der Bauzone besteht ein komplexes Spannungsfeld unterschiedlicher Ansprüche, die sich nicht immer einfach vereinen lassen. «Es handelt sich einerseits um identitätsstiftende und tourismuswirksame Kulturlandschaften, deren Qualitäten und Charakteristika man möglichst erhalten möchte. Andererseits wird hier auch gelebt und gearbeitet, was zwangsläufig eine gewisse Entwicklung nach sich zieht», sagt Stefan Kunz, forschender Architekt an der Hochschule Luzern und Co-Leiter eines interdisziplinären Projekts, das sich mit der Frage auseinandergesetzt hat, wie eine qualitätsvolle Entwicklung ausserhalb der Bauzone aussehen kann. Zentraler Punkt dabei: Der Dialog zwischen den beteiligten Parteien.
Frage von nationaler Bedeutung regional betrachtet
Auf gesetzgeberischer Ebene beschäftigt sich aktuell die 2. Etappe zur Teilrevision des Raumplanungsgesetzes (RPG 2) mit dem Bauen ausserhalb der Bauzone. Die Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet besteht seit 1972. Obwohl das Bauen ausserhalb der Bauzone stark reglementiert ist, nimmt die Anzahl der Gebäude stetig zu. Dies hängt mit diversen Ausnahmeregelungen und dem Strukturwandel in der Landwirtschaft zusammen, die zunehmend grössere Ökonomiegebäude benötigt. Gleichzeitig werden die alten Bauten nicht immer rückgebaut. Die Vernehmlassung zum Entwurf des RPG 2 ging im September zu Ende; die Reaktionen der adressierten Kantone, Organisationen und Verbände dürften kontrovers ausfallen. Ganz konkret hat sich das unter anderem vom Bundesamt für Kultur unterstützte Projekt der Hochschule Luzern mit dem Thema einer qualitätsvollen und nachhaltigen baulichen Entwicklung ausserhalb der Bauzone beschäftigt: Am Beispiel der Streusiedlung Grossteiler Ebene im obwaldischen Giswil wurden dazu konkrete Massnahmen erarbeitet. Wichtig war dabei eine ganzheitliche Gebietsbetrachtung und der Austausch zwischen Politik, Verwaltung, Bevölkerung und Fachexpertinnen und -experten zur lokalen Baukultur. Die erarbeiteten Ergebnisse erhalten durch die anstehende Revision des Raumplanungsgesetzes zusätzliche Bedeutung.
Wie gestaltet sich die Entwicklung?
Das Bild einer Kulturlandschaft, in der gelebt und gearbeitet wird, lässt sich nicht zementieren. So stellt sich die Frage, wie sich dessen Entwicklung vollziehen soll. Wie können die Qualitäten der Landschaft erhalten werden? Welche Rolle spielen traditionelle Elemente? Welche Formen von Gestaltung und Nutzung sollen möglich sein? Was soll mit landwirtschaftlichen Gebäuden geschehen, die nicht mehr genutzt werden? Wie kann man die Anzahl der Gebäude stabilisieren?
«Es ging uns in diesem Projekt nicht nur darum, ein Regelwerk zu errichten», sagt Stefan Kunz. «Wir wollten einen Prozess entwickeln, der so auch in anderen Regionen durchgeführt werden kann.» Ziel ist es, die Landschaft auf eine Art und Weise weiterzuentwickeln, die ihre Qualität aufrechterhält, aber auch den aktuellen Bedürfnissen entgegenkommt. Das Resultat des Prozesses kann je nach Region, ihren Voraussetzungen und den Bedürfnissen der involvierten Akteure anders aussehen. Der Dialog zu den Zielen der Entwicklung und die Etablierung einer gemeinsamen Wertebasis ist dabei ebenso so wichtig wie konkrete Massnahmen.
Die Bevölkerung spricht mit
Ohne Engagement von vielen Seiten und ohne politische und fachliche Auseinandersetzung geht dies nicht. Und vor allem: Nicht ohne Einbezug der Bevölkerung. In Giswil – genauer in der Grossteiler Ebene – gab es eine Begleitgruppe mit Vertretern des Kantons, der Gemeinde und ausgewählten Fachexpertinnen und –experten. Unter Leitung der Hochschule Luzern diskutierte sie regelmässig die aktuellen Fragen. Wichtig waren auch die zwei Workshops mit grosser Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner der Grossteiler Ebene. In diesen Workshops entwickelten die Teilnehmenden ein so genanntes Zielbild. Die Expertinnen und Experten der Begleitgruppe und der Hochschule Luzern leiteten daraus eine Reihe von Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung ab.
Partizipation innerhalb rechtlicher Grenzen
Bei der Mitwirkung wurde von Beginn weg kommuniziert, dass der Spielraum ausserhalb der Bauzone aufgrund der engen gesetzlichen Vorgaben beschränkt ist. Dies ist insofern unproblematisch, weil das gemeinsam definierte Zielbild den Erhalt des bestehenden Charakters und die Förderung der Qualitäten der Streusiedlung in den Vordergrund stellt. Inwiefern sich die raumplanerische Ausgangslage aufgrund von RPG 2 verändert, wird sich erst noch zeigen.
Die Gemeinde Giswil und der Kanton Obwalden haben gemeinsam mit der Hochschule Luzern für die Streusiedlung der Grossteiler Ebene entsprechende Grundlagen erarbeitet. «Die Ergebnisse, die hier entwickelt wurden, sind sowohl für den aktuellen politischen Prozess zu RPG 2 als auch für die konkrete Umsetzung darin enthaltener Massnahmen von hoher Relevanz», sagt Thomas Kappeler vom Bundesamt für Raumentwicklung.
Interdisziplinäres Projekt: Im Projektteam der HSLU wurde bewusst die Expertise aus den Bereichen Architektur, Regionalentwicklung und soziokultureller Entwicklung zusammengeführt. Neben dem Bundesamt für Kultur unterstützte auch der Interdisziplinäre Themencluster (ITC) Raum & Gesellschaft der Hochschule Luzern das Projekt. Der ITC fördert Forschungsprojekte der HSLU im Umfeld baukultureller und landschaftlicher Fragestellungen und beteiligt sich am Dialog in entsprechenden Netzwerken. So übernimmt Ulrike Sturm als Co-Leiterin des ITC ab Januar 2022 für drei Jahre das Präsidium des Forums Landschaft, Alpen, Pärke (FoLAP) der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) und Co-Leiter Stefan Kunz ist seit Sommer 2021 im Beirat der Stiftung Baukultur Schweiz.
Titelbild Grossteiler Ebene in Giswil OW, ©Stefan Kunz
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