Geringe Diversität und hohe Stabilität: So lässt sich gemäss einer neuen an der Universität Zürich verfassten Studie die Zusammensetzung der Verwaltungsräte in Schweizer KMU zusammenfassen. Die Studie liefert erstmals aktuelle, umfassende und detaillierte Einblicke in die Besetzungspraxis von Verwaltungsräten in kleinen und mittelständischen Schweizer Unternehmen. Besonders markant sind die regionalen und branchenbedingten Unterschiede sowie die erheblichen Lücken in der Diversität, die sowohl das Geschlecht als auch die Nationalität betreffen.

Die Studie basiert auf einer Analyse von mehr als 28’000 Schweizer KMU und liefert detaillierte Informationen zu zentralen Merkmalen der Verwaltungsräte, darunter die Boardgrösse, Geschlechter- und Nationalitätenverteilung, die CEO-Dualität sowie die Amtszeiten der Verwaltungsratsmitglieder. Autor der Studie ist Angelo Antonio Di Feo von der Universität Zürich.

Zentrale Erkenntnisse der Studie

  1. Kleine Verwaltungsräte dominieren: Fast 90% der untersuchten KMU haben Verwaltungsräte mit maximal vier Mitgliedern. Besonders kleine Unternehmen setzen auf VRs mit nur einem oder zwei Mitgliedern. Dies deutet auf eine hohe Konzentration von Führungsverantwortung hin, die oft bei den Eigentümern selbst liegt.
  1. Mangel an Frauen in Verwaltungsräten: Frauen stellen im Durchschnitt nur 20% der Mitglieder in Verwaltungsräten. Der Frauenanteil variiert je nach Branche stark: In technologieorientierten Sektoren wie der IT-Dienstleistungsbranche beträgt der Frauenanteil lediglich 9,3%, während soziale Dienstleistungsunternehmen mit einem Anteil von 29,2% die höchsten Werte aufweisen. Diese Zahlen verdeutlichen die bestehenden Diversitätslücken an mehr weiblicher Repräsentation in den Führungsgremien. Von einer gesellschaftlichen Perspektive macht es Sinn, die weibliche Repräsentation zu fördern.
  1. Geringe internationale Diversität: Nur rund 10% der VR-Mitglieder haben keine Schweizer Staatsbürgerschaft. Der Anteil ausländischer Verwaltungsräte bleibt insgesamt niedrig, mit einem Anstieg in den Grenzregionen, wie dem Tessin, wo die Nähe zu Italien zu einem höheren Anteil an internationalen VR-Mitgliedern führt.
  1. Langjährige Stabilität der Verwaltungsräte: Die durchschnittliche Amtszeit der Verwaltungsratsmitglieder beträgt 8,3 Jahre, was auf eine Teilhaberschaft gewisser VR-Mitlieder aber auch eine starke Stabilität und langjährige Erfahrung innerhalb der Gremien hinweist. Interessanterweise zeigt sich, dass ältere Unternehmen tendenziell auch ältere Verwaltungsräte beschäftigen, was auf eine Teilhaberschaft gewisser VR-Mitlieder aber auch auf eine verstärkte Kontinuität und Tradition in der Unternehmensführung hindeutet.
  1. CEO-Dualität weit verbreitet: In 57% der untersuchten KMU gibt es eine CEO-Dualität, bei der die Rolle des CEO und des VR-Präsidiums von der gleichen Person ausgeübt wird. Dies ist insbesondere in kleineren Unternehmen und in familiengeführten Unternehmen häufig anzutreffen. Dieser Umstand vereinfacht die Entscheidungsprozesse, führt aber auch zu einer Konzentration von Macht, was langfristig Herausforderungen für die Unternehmens-Governance darstellen und zum Risikofaktor werden kann.


Diversität als Herausforderung für KMU

„Unsere Analyse zeigt, dass die Verwaltungsräte von Schweizer KMU deutlich homogener und kleiner sind als die von börsenkotierten Unternehmen. Dies wirft die Frage auf, ob gezielte Massnahmen zur Förderung der Diversität, insbesondere hinsichtlich Geschlechter-, Alter- und Nationalitätenvielfalt, nicht nur die Governance stärken, sondern auch den langfristigen Erfolg der KMU fördern könnten“, erklärt Angelo Antonio Di Feo, Autor der Studie. Die Ergebnisse der Studie könnten als wertvolle Grundlage für eine breitere Diskussion über Governance-Standards und Diversität in der KMU-Landschaft dienen. Politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, Wirtschaftsverbände und Unternehmen könnten die gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um gezielte Initiativen zur Förderung von Diversität zu entwickeln, die zu einer stärkeren und nachhaltigeren Führungskultur in KMU beitragen.

Regionale und sektorielle Unterschiede

Die Studie zeigt auffällige Unterschiede in der Zusammensetzung der Verwaltungsräte, abhängig von der geografischen Lage und der Branche der Unternehmen:

  • Regionale Unterschiede

Im Tessin sind Verwaltungsräte am internationalsten, mit einem Anteil von 21,4% ausländischer Mitglieder. In der Region Espace Mittelland liegt dieser Anteil bei nur 8,4%.

  • Sektorielle Unterschiede

Der Anteil weiblicher Verwaltungsratsmitglieder variiert stark zwischen den verschiedenen Sektoren. In der öffentlichen Verwaltung und sozialen Dienstleistungen beträgt der Frauenanteil 29,2%, während er in der IT-Dienstleistungsbranche nur 9,3% erreicht. Auch die CEO-Dualität zeigt starke sektorielle Unterschiede: Im Bauwesen übernimmt eine Person in 66,5% der Fälle sowohl die Rolle des CEO als auch des VR-Präsidiums. Die Industrie weist mit dem tiefsten Wert (Rohstoff und Energie) lediglich 27.5% CEO Dualität auf.

Vergleich zu börsenkotierten Unternehmen

Die Verwaltungsräte von KMU unterscheiden sich deutlich von denen grosser börsenkotierter Unternehmen. Sie sind in der Regel kleiner und homogener, wobei die Diversitätsmerkmale wie Geschlecht und Nationalität deutlich weniger ausgeprägt sind. Im Vergleich dazu haben Unternehmen im Swiss Market Index (SMI) einen Frauenanteil von rund 35% in ihren Verwaltungsräten, was deutlich höher ist als der Wert in den KMU.

„Unsere Studie zeigt auf, wie regionale und sektorielle Besonderheiten die Governance-Strukturen in KMU prägen. Die Erkenntnisse liefern wertvolle Impulse für die Entwicklung gezielter Massnahmen, die KMU helfen könnten, die Diversität in ihren Führungsgremien weiter zu erhöhen“, erklärt Di Feo weiter.

Über die Studie

Die Masterarbeit von Angelo Antonio Di Feo zur Zusammensetzung von Verwaltungsräten in Schweizer KMU wurde an der Universität Zürich unter der Betreuung von Dr. Christoph Wenk Bernasconi verfasst. Sie basiert auf einer detaillierten Analyse von 28.000 KMU-Datensätzen und liefert einen innovativen Beitrag zur Corporate-Governance-Forschung im KMU-Bereich.

Die Initianten

Die Initiative zur Realisierung einer Studie zum Thema der Besetzungspraxis von KMU-Verwaltungsräten geht zurück auf Tobias Herren, Rechtsanwalt der Bratschi AG, Ständerätin Petra Gössi, Raoul Stöhlker, Geschäftsführender Partner der Stöhlker AG und Dominic Lüthi, Gründer von VRMandat.com. Dr. Christoph Wenk Bernasconi von der Finance Executive Education der Universität Zürich betreute die Erarbeitung der Studien. Aktuell läuft eine weitere Studie an der Universität Zürich, welche einen aktuellen Einblick in die Besetzungspraxis von KMU-Verwaltungsräten erlauben wird.

Männer sind in KMU-Verwaltungsräten stark vertreten. Bild PD