Armut infolge der Pandemie: «Das schlimmste steht noch bevor.»
Die sozialen Folgen der Corona-Krise sind noch lange nicht ausgestanden. Die Situation spitzt sich weiter zu. In den Sozialberatungen der Caritas ist die Nachfrage von Menschen in Notlagen anhaltend hoch. Den Betroffenen fehlen zunehmend die Perspektiven. Gleichzeitig nähert sich die Arbeitslosigkeit einem Höchststand. Caritas ruft dringend dazu auf, dass die Hilfsmassnahmen für sozial schwächer Gestellte bis zum Ende der Krise aufrechterhalten werden, damit sie ihre Existenz sichern können.
Die Zahl der Hilfsgesuche und Anfragen in den Sozialberatungen der Caritas lagen im letzten Jahr deutlich über dem Durchschnitt normaler Jahre und sind mit der zweiten Welle der Pandemie noch einmal angestiegen. Die Corona-Massnahmen treffen Geringverdienende besonders hart. Viele Arbeitnehmende und Selbstständige haben alles versucht, um aus eigenen Kräften durch die Krise zu kommen. Hilfe zu suchen, ist ihr letztes Mittel. Viele tun dies erst, wenn sie ihre Reserven aufgebraucht haben, wenn sich Rechnungen stapeln und private Schulden anfallen. Betroffene, die sich zu spät bei der Sozialhilfe melden, müssen Lücken in Kauf nehmen, werden doch Kosten nicht rückwirkend übernommen. Wenn die Selbstständigkeit aufgegeben und dabei die investierten Vorsorgegelder verlorengehen oder wenn junge Menschen ihre Lehre abbrechen müssen, gehen langfristige Perspektiven verloren.
Lücken bei der staatlichen Corona-Hilfe
Bei der staatlichen Unterstützung bestehen gravierende Lücken, welche Hilfswerke wie die Caritas schliessen müssen. Die Bearbeitung von Hilfsgesuchen für die Sozialhilfe oder für Prämienverbilligungen dauert zu lange. Der Zugang ist meist nur telefonisch oder gar nur online möglich und damit erschwert. Betroffene sind jedoch auf rasche Hilfe angewiesen. So hat die Caritas schweizweit seit Beginn der Krise vor einem Jahr bis heute 17’000 Personen mit Direkthilfe in einem Gesamtumfang von über 6 Millionen Franken unterstützt – unter anderem dank der Gelder der Glückskette. Haushalte knapp über der Grenze der Sozialhilfe erhalten bei öffentlichen Stellen oft keine Beratung zu finanziellen und administrativen Fragen und sind ebenfalls auf Hilfswerke angewiesen. Ausländerinnen und Ausländer verzichten nicht selten auf Sozialhilfe, weil sie fürchten, ihren Aufenthaltsstatus zu gefährden.
Arbeitslosigkeit bald auf Höchststand
Die Arbeitslosigkeit lag im Januar bei 3,7 Prozent und nähert sich dem Höchststand der letzten 20 Jahre an. Die Krise ist noch nicht ausgestanden. «Die sozialen und wirtschaftlichen Kosten der Pandemie sind bereits gross, aber die gravierendsten Auswirkungen stehen noch bevor», zeigt sich Caritas-Direktor Peter Marbet besorgt.
Die Politik ist gefordert
Der Bundesrat und das Parlament werden in den kommenden Tagen wichtige Entscheide fällen müssen. Um die Existenzsicherung möglichst vieler Menschen zu sichern, ist es aus Sicht der Caritas unerlässlich, dass die Kurzarbeitsentschädigung zu 100 Prozent für tiefere Einkommen bis zum Ende der Pandemie verlängert werden muss und nicht wie geplant Ende März auslaufen darf. Der Zugang zu Sozialhilfe und Beratung muss niederschwelliger werden, damit die Hilfe ankommt. Bei Betroffenen knapp über der Armutsgrenze darf nicht einfach zugewartet werden, bis sie sich auf Sozialhilfeniveau befinden, denn so müssen sie sämtliche Reserven aufbrauchen. Auch ist die Grenze der Sozialhilfe heute zu tief angesetzt und verhindert eine soziale Teilhabe. Direktzahlungen nach dem Modell der Ergänzungsleistungen und eine temporäre Erhöhung der Prämienverbilligung können dazu beitragen, einen sprunghaften Anstieg bei der Sozialhilfe zu verhindern. Bei den Sozialversicherungen und der Sozialhilfe braucht es zudem vermehrt Begleitung und Coaching, damit die Menschen nicht allein bleiben mit ihren Sorgen und Nöten, sondern Perspektiven erhalten.
Titelbild: Peter Marbet, Direktor der Caritas Schweiz. Bild: Nique Nager
Neueste Kommentare