Biodanza ist der Tanz, bei dem die Lust an der Bewegung im Zentrum steht
Es ist unsere tiefe Verbindung mit unserer Lebensfreude und die Vernetzung der Menschen untereinander das zentrale Motiv ist. Angeleitete Bewegungen und die dazu speziell ausgewählte, anregende Musik laden dazu ein – losgelöst von funktionalisierten Bewegungsmustern und Schemata – einen ganz eigenen, fürwahr authentischen Tanz aus unserem Inneren heraus zu fördern und neue Kräfte freizusetzen. Wir haben uns mit der Biodanza-Lehrerin und -Ausbilderin Gabriele Freyhoff über diesen besonderen Tanz unterhalten.
Chilitalk: Liebe Gabriele, möchtest du uns erst einmal erzählen, wie du Biodanza für dich entdeckt hast?
Gabriele: Das geschah vor mehr als 30 Jahren in Brasilien. Damals war ich auf der Suche nach mir selbst, in so einer Art kleinen Sinnkrise. Biodanza war genau das, was ich brauchte. Diese lebendige ”Wissenschaft” vom Leben und vom Körper riss mich regelrecht aus meinem seinerzeit eher nachteiligen Lebensstil heraus, der in erster Linie aus Arbeit, Zigaretten und Kaffee bestand.
Und dann begegnete ich Rolando Toro, dem Begründer von Biodanza. Er hielt einen Vortrag über Biodanza. Sein Optimismus steckte mich an und zog mich sofort in seinen Bann. Mir war direkt klar: Genau so etwas möchte ich auch machen!
Chilitalk: Wie ging es dann weiter?
Gabriele: Ich brauchte nicht lange zu überlegen. Innerhalb kürzester Zeit entschloss ich mich, die Ausbildung in Biodanza zu machen und lernte diese neue, lebensbejahende Haltung in Theorie und Praxis kennen.
Ich verstand durch Biodanza, dass wir mit unseren Bewegungen den Prozess des Lebens nähren, direkt in ihn eingreifen können. Jeder Tag des Lebens ist ein neuer Tanz, auch wenn dies den meisten nicht bewusst ist.
Biodanza hat mein Bewusstsein dafür geschärft. Ich spüre mich und meinen Körper heute viel intensiver als früher. Ich bin dadurch auch viel selbstsicherer geworden. Biodanza hat mich gelehrt, wie schön jeder Mensch ist, wie viel Einzigartigkeit in seinem Ausdruck und in seinen Bewegungen steckt. Ich habe dadurch viele bewegende Begegnungen gehabt.
Chilitalk: Und diese Erfahrung möchtest du auch weitergeben?
Gabriele: Ja, diese Erfahrung möchte ich mit möglichst vielen Menschen teilen, und zwar mit noch vielen mehr, als ich es in den vergangenen Jahren schon getan habe. Ich möchte weitere Biodanza-LehrerInnen ausbilden und meine Arbeit in Betrieben (Krankenhäusern, Banken, Behörden und Firmen aller Art) fortsetzen. Die Arbeit mit Kindern und die Fortbildung von LehrerInnen möchte ich intensivieren, denn ich halte es für enorm wichtig, dass schon in der Schule die emotionale Intelligenz, die Intelligenz des Herzens, gefördert und die persönliche Identität der Kinder gestärkt wird.
Chilitalk: Du hast damals, als du mit Biodanza zum ersten mal in Berührung kamst, in Brasilien gelebt. Was genau hast du da gemacht?
Gabriele: Ich war Entwicklungshelferin im Nordosten von Brasilien und habe mich dort um Säuglinge und Kleinkinder gekümmert, die im dritten Grad unterernährt waren. Die Arbeit ist emotional sehr belastend und herausfordernd, da der Tod dort allgegenwärtig ist. Mütter gaben ihre Kinder dort aus purer Armut und Hilflosigkeit ab.
Mir ging das alles sehr zu Herzen und ich brauchte einen Quell der inneren Stärkung. So fand ich zu Biodanza. Im Rahmen meiner Praktika, die zur Ausbildung gehörten, arbeitete ich mit Straßenkindern. Sie erhielten so ein ganz besonderes Erlebnis, indem sie erstmals einen Raum für sich fanden, wo sie angenommen waren und ein liebevolles Miteinander erleben konnten. Biodanza hat sie von der täglichen Gewalt ihres alten Umfeldes befreit.
Chilitalk: Wie weit ist Biodanza in Brasilien verbreitet?
Gabriele: Die Verbreitung in Brasilien ist grösstenteils Rolando Toro zu verdanken. Er zog im Jahr 1972 von Chile, seinem Geburtsland, nach Sao Paulo und reiste von dort aus durch das ganze Land. Er war beseelt von dem Wunsch, Biodanza zu verbreiten und Menschen mit Mission auszubilden. Mittlerweile ist Biodanza in Brasilien sehr verbreitet und bekannt. Allein in Fortaleza, einer Millionenstadt im Nordosten, rund 200 km von Äquator entfernt, gibt es 36 Biodanza-Lehrer/innen. Die Metapher von Biodanza – das Leben zu tanzen – entspricht eigentlich auch ganz der brasilianischen Mentalität. In Europa, gerade in Deutschland, ist uns nicht klar, wie extrem die sozialen Ungleichheiten in Brasilien sind. Von einstelligen Inflationsraten können die Brasilianer nur träumen. Armut, Hunger, Elend, Inflation, Korruption und Kriminalität prägen den Alltag. Tanz und Musik geben den Menschen eine Lebendigkeit. Biodanza verleiht ihnen neue Energie und Mut, um am nächsten Tag überhaupt aufzustehen.
Und auch wenn bei uns die Lebensumstände um ein Vielfaches angenehmer und positiver sind als in Brasilien, so brauchen die Menschen hier Biodanza genauso. Und deshalb möchte ich es ihnen vorstellen, nahebringen und sie dafür begeistern. Biodanza hat so viele positive Wirkungsweisen, von denen wir alle nur profitieren können.
Gabriele Freyhoff studierte Sonderpädagogik in Köln. Nach einigen Jahren der Arbeit in Förderschulen ging sie im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit nach Brasilien. Dort lernte sie Biodanza kennen und machte eine Ausbildung zur Biodanza-Leiterin. Später folgte die Qualifizierung zu Ausbilderin in Biodanza. Gleichzeitig machte sie am Fritz-Perls-Institut eine Ausbildung zum Coach. Heute leitet sie schon seit 20 Jahren die Biodanza-Schule Köln. Ihre Vision ist es, Biodanza und dessen positive Effekte so vielen Menschen wie irgendwie möglich zugänglich zu machen.
Website: www.biodanza-online.de
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