Im selbst gebauten Campervan auf Reisen
Aus einem ehemaligen Lieferwagen wird ein gemütliches Zuhause auf Rädern: Selbstgebaute Campervans liegen im Trend und Van Life wird als neuer Lebensstil gefeiert. Allerdings kommen damit auch Schwierigkeiten.
Salome Kern
In einem Wohnmobil reisen nur Rentner und Spiesser, so klang ein lange vorherrschendes Vorurteil. Langweilige Übernachtungen auf dem Campingplatz mit perfekt abgestecktem Zaun rund um den Campervan. Doch das Bild hat sich gewandelt.
In den sozialen Medien zeigen junge Erwachsene ihre selbst gebauten Campervans und posten Bilder vom Aufwachen direkt neben dem Sandstrand. Auf dem Gasherd köchelt der Kaffee, die Solarmodule auf dem Dach laden die Batterie und draussen lockt die wunderschöne Natur. Sie kaufen Lieferwagen und bauen sie selbstständig zu einem Wohnmobil um.
Eine Studie des englischen Wohnmobilvermieters Camptoo besagt, dass die Suchen nach Van-Umbauten dieses Jahr um 2000 Prozent zugelegt haben. Einige nutzen den Van für Wochenendtrips in der näheren Umgebung, andere reisen damit in die Ferien und Letztere ziehen gleich kurzerhand in den Wagen. Gerade Corona und die damit zusammenhängenden Reisebeschränkungen haben den Trend enorm befeuert.
Was ist es, das den Umbau eines ehemaligen Nutzfahrzeuges zu einem Zuhause so attraktiv macht? Viele, die sich in dieses Abenteuer gestürzt haben, antworten mit: “Freiheit!” Und das zeigt sich in verschiedenen Aspekten. So hat man mit einem Reisemobil die unbegrenzte Möglichkeit Landschaften und versteckte Juwele zu bereisen, ohne abhängig von Unterkunft und Infrastruktur zu sein. Ausserdem ist auch der Van-Umbau ein sehr individueller Prozess, der einem erlaubt, sein Gefährt genau so auszustatten, wie man möchte.
Wie baut man einen Van?
Die Qual der Wahl beginnt schon mit dem Fahrzeug: Mercedes Sprinter, Citroën Relay oder doch lieber der Crafter von Volkswagen? Brauche ich einen 4×4-Antrieb für meine Pläne? Reicht eines der kürzeren Modelle oder sollte es das extralange und extrahohe Gefährt sein? Dann muss das Layout bestimmt werden: So verzichten beispielsweise einige auf ein festinstalliertes Badezimmer und packen die Toilette in einen Schrank. Andere legen Wert auf ein Bett, deren Höhe sich ändern lässt. Der eigenen Vorstellungskraft sind so fast keine Grenzen gesetzt.
Sind diese ersten Entscheidungen getroffen, kann der Umbau beginnen. Allerdings braucht es dafür einiges an Zeit, Wissen, handwerkliches Geschick und Erspartes. Der Umbau ist nicht gerade günstig: Das Fahrzeug muss bezahlt werden, aber auch Toilette, Herd, Boiler, Batterien, Fenster und Wassertanks sind teuer. Für jemand, der noch nie zuvor eine Stichsäge in der Hand gehalten hat, ist es alles andere als eine einfache Aufgabe durch das Metall des Vans zu sägen, um die Seiten- und Dachfenster zu befestigen. Ein Fehler kann einem sehr teuer zu stehen kommen.
Auch die Installation der gesamten Elektrik, des Boilers und des Gases ist eine Herausforderung. Trotzdem beweisen auch immer wieder Menschen, die normalerweise im Büro sitzen, dass sich das Wissen tatsächlich aneignen lässt. Die Anzahl von Videos auf Youtube zu den einzelnen Schritten ist enorm. Für jedes Fenster, jeden Trick und jedes Kabel gibt es ein Tutorial. Wer nach einem Guide für das selbst gebaute Reisemobil sucht, findet zahlreiche Bücher mit Anleitungen.
Günstig unterwegs – arbeiten, um zu leben
Für jene, die sich entscheiden in ihrem Van zu leben, ist es häufig auch eine Entscheidung zu einem komplett neuen Lebensstil: Die Fixkosten sinken, hat man den Van einmal fertig gebaut. Der eigene Konsum wird reduziert, schliesslich sind die Schränke im Van sowieso zu klein, um mit neuesten Modetrends oder elektronischen Spielereien mitzuhalten.
Statt jeden Tag stundenlang zu arbeiten, um die Miete und andere Ausgaben zu bezahlen, reisen die sogenannten Van-Lifers durch die Gegenden und arbeiten so viel wie nötig. Sei es als Digital Nomad über das Internet, als Hilfskraft für Gemüse- und Früchte-Ernten, als Surflehrer irgendwo an der Küste oder als Handwerker.
Abfall und Co: Das sind die Probleme des Van-Lifes
Mit jedem Trend kommen allerdings auch Schwierigkeiten. Stichwort Wild-Camping: Reisende übernachten auf dem Parkplatz, am Morgen fahren sie weiter, während der Müll auf dem Boden bleibt. In Portugal beispielsweise sind die Einheimischen müde von den Van-Lifers, die dem Winter entfliehen wollen und ihren Wagen an den schönsten Spot im Süden des Landes parken.
Sie lassen Abfall liegen, nutzen die Natur als Klo, ohne das Papier korrekt zu entsorgen und entzünden Lagerfeuer, während das Land mit Waldbränden kämpft. Ausserdem ist der Tourismus für Portugal enorm wichtig, allerdings lebt diese Art von Reisenden meist auf kleinem Fuss und benötigen weder Hotels noch Restaurants. Ist der Anteil an Van-Reisenden klein, sind diese Probleme vernachlässigbar, allerdings verzeichnete das Land, wie auch der Rest von Europa einen starken Anstieg. Portugal hat somit beschlossen, dass es nur noch erlaubt ist, auf offiziellen Campingplätzen zu übernachten.
Die Seite der Einheimischen ist gut nachzuvollziehen, ebenso ist aber der Wunsch von Van-Lifern nach ihrem Leben in Freiheit zu verstehen. Balance könnte – wie so oft – die Lösung sein. Abfall richtig entsorgen, Feuer nur an offiziellen Feuerstellen und Respekt vor den Einheimischen, in dem man von Zeit zu Zeit eben trotzdem auf einen Campingplatz schläft und in den kleinen, lokalen Geschäften einkauft.
Titelbild: Unterwegs mit dem Camper. @Bild Salome Kern
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